Niedersachsen fördert zehn neue EIP-Agri-Projekte zur Produktivität und Nachhaltigkeit

Agrarministerin Miriam Staudte begrüßte am 29. Juni 2023 die Projektverantwortlichen von zehn innovativen Landwirtschaftsprojekten. Sie werden durch die Fördermaßnahme Europäische Innovationspartnerschaft „Produktivität und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft“ (EIP Agri) unterstützt. Bei der Auftaktveranstaltung im Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) wurden die Projekte des nunmehr sechsten Aufrufs gestartet. Erstmals sind auch Projekte der Forstwirtschaft förderfähig. Nachstehend finden Sie eine Übersicht zu den zehn neuen EIP-Agri-Projekten in Niedersachsen.

Innovative Ideen, die zur Transformation der Landwirtschaft beitragen: Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (erste Reihe, 2.v.r.) gratuliert den Verantwortlichen aus den zehn neuen EIP-Projekten. Bildrechte: ML.


AbDü

Vom Abfall zum Dünger – die Schwarze Soldatenfliege als lebendiger Bioreaktor

In der landwirtschaftlichen Produktion, insbesondere im Bereich der Hackfrüchte, des Freiland-Gemüseanbaus und der Sonderkulturen fallen Reststoffe an, die sich nicht unmittelbar verwerten lassen. Das Projekt AbDü zeigt einen neuen Ansatz der Reststoffverwertung auf, der mit Hilfe von Insekten einen hochwertigen, gezielt einsetzbaren Dünger produziert. Dieser wird durch den Zusatz eines Chitosan-basierten Biostimulans optimiert, welches biotechnologisch aus Insekten gewonnen wird und die Düngemitteleffizienz erhöht. Nebenprodukte in diesem Prozess sind zudem hochwertiges tierisches Protein, das aus Fliegenlarven gewonnen und in der Schweine- und Geflügelhaltung als Futter eingesetzt werden kann. Dafür wird in dem Projekt AbDü ein vollautomatisierter und mobiler Bioreaktor konstruiert, der sich der Schwarzen Soldatenfliege bedient. Die automatische computergesteuerte Umwandlung von Reststoffen zu Dünger ist dabei zentraler Ansatz des Projekts.

Projektkoordinator:
Hilmar Freiherr von Münchhausen
NAN – Netzwerk Ackerbau Niedersachsen


ForestForward

Aufgrund des sogenannten Waldsterbens 2.0 müssen alleine in Deutschland hunderttausende Hektar wiederaufgeforstet werden. Die Verwendung von Setzlingen aus Baumschulen trifft in diesem Kontext auf Kapazitätsgrenzen und wird auch aus Gründen einer möglicherweise geringeren Resilienz der Pflanzen kritisch gesehen. Das Projekt ForestForward etablierte daher eine praktikable Direktsaat-Alternative für die Forstwirtschaft und kombiniert zu diesem Zweck fünf Lösungsansätze: Erstens wird ein Keimfähigkeitsschnelltest für die Anwendung auf Forstsaatgut weiterentwickelt, damit für die Aussaat vorgetestetes erfolgsversprechendes Saatgut genutzt wird. Zweitens wird für das Forstsaatgut eine keimfördernde Saatgutbeschichtung entwickelt, die die Keimrate erhöht und die anwachsende Pflanze effektiv mit den richtigen Nährstoffen versorgt. Drittens wird das beschichtete Saatgut in einen Pressling eingelagert, in dem Hilfsstoffe enthalten sind, die der junge Baum benötigt. Viertens wird eine auch von ungeschultem Personal verwendbare Pflanzapparatur entwickelt, die ein Loch in den Waldboden stößt, in welches der Pressling samt Samen verabreicht wird. Fünftens werden zum Monitoring der aufgeforsteten Flächen sensorbasierte Messdaten aus einer kleinräumige Standortkartierung visualisiert.

Projektkoordinator:
Jacob P. Rohn
SeedForward GmbH


Agri-PV-Field Garden

Für die Bewirtschaftung von Agri-PV-Anlagen ist der Einsatz konventioneller Landmaschinentechnik schlecht geeignet. Das Projekt Agri-PV Field Garden entwickelt mit Hilfe eines systemischen Ansatzes ein offenes, praxistaugliches sowie automatisiertes Agri-PV Konzept. Ankerpunkt ist eine vier bzw. fünf-gliedrige Fruchtfolge auf einzelnen „Beeten“, deren Form und Grenzen durch das Ständerwerk einer PV-Anlage definiert werden. Ein weiterer Aspekt des Projekts ist die Umsetzung eines roboterbasierten Bewirtschaftungssystem. Dabei ist zum einen die technische Verfügbarkeit der erforderlichen landwirtschaftlichen Verfahrenstechnik und zum anderen die optimale Auslastung der Robotertechnik zu berücksichtigen. Darüber hinaus muss die eingesetzte Robotertechnik auch zu den durch die PV-Anlage gegebenen baulichen Einschränkungen passen. Dies gilt nicht nur für den Platzbedarf der eingesetzten Robotertechnik, sondern auch für deren Versorgung (Energie, Wasser etc.) und die Substitution der GPS-Technologie durch alternative Systeme, die auch unter den Agri-PV Anlagen eine zentimetergenaue Navigation ermöglichen. Die Entwicklung der benötigten Lösungsansätze erfolgt im Projekt Agri-PV Field Garden durch eine Kombination aus modelhaften Feldtests und Simulationsstudien.

Projektkoordinatorin:
Dr. Kathrin Müller
Hof Fleming


RoboForest

Die Wiederaufforstung von Schadflächen stellt forstliche Betriebe vor große Herausforderungen. Nachdem ein Gebiet mit neuen Setzlingen bepflanzt wurde, muss für bis zu fünf Jahre eine aufwendige Pflege sichergestellt werden, um einen erfolgreichen Aufwuchs zu gewährleisten. Im frühen Stadium drohen Brombeeren und andere krautige Pflanzen im direkten Umfeld die Setzlinge zu „ersticken“. Daher werden diese oft händisch und aufwendig mit Freischneidern befreit. Das Projekt RoboForest entwickelt eine mobile und autarke Roboterplattform, die mit einem flexiblen Freischneidwerkzeug ausgestattet ist. Modernste LiDAR-Sensoren und hochgenaue Echtzeitkinematik dienen dabei der eigenen Lokalisation und Navigation. Unmittelbar nach dem Pflanzen der Setzlinge werden diese Daten in einer Karte georeferenziert eingetragen und dem Roboter somit zur Verfügung gestellt. Anschließend fährt dieser regelmäßig über die angelegten Flächen und befreit die unmittelbare Umgebung der Setzlinge vom ungewollten Begleitwuchs. Dabei wird der Zustand der Setzlinge über ein auf dem Roboter verbautes Multisensorsystem erhoben.

Projektkoordinator:
Prof. Dr. Thomas Linkugel
Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK)


InaviVUS

Inaktivierung aviärer Influenza Viren durch Fern-UV-Behandlung in der Stallluftzufuhr

In der Geflügelhaltung sollen aerogene Einträge von Erregern in die Ställe durch Filtermaßnahmen, z.B. HEPA-Filter, verhindert werden. Die Verwendung dieser hat jedoch auch Nachteile in Bezug auf Kosten und Effektivität. Das Projekt InaviVus arbeitet an einer Entkeimung der in die Ställe eingetragenen Zuluft ohne eine mechanische Filterung und lässt somit einen ungehinderten Luftstrom in den Stall zu. Dazu wird die Luft mittels geeigneter Beleuchtungseinheiten im Fern-UVC Bereich entkeimt. Die Entkeimungsleistung lässt sich durch die Bestrahlungsintensität, im Rahmen der verfügbaren Geräte, nahezu beliebig skalieren. Die Verwendung von Fern-UVC bietet dabei erhebliche Vorteile zu aktuellen entkeimenden Belichtungsverfahren. So weisen Proteine eine gute Absorption in diesem Wellenlängenbereich auf, während eine Gefährdung der Augen sowie Haut nicht nachgewiesen wurde. Dies erlaubt einen gefahrlosen Betrieb auch in Anwesenheit von Tier und Mensch und ermöglicht den optimalen Einsatz in der Stallumgebung. Die unselektive Eliminierung von Infektionserregern durch die Verwendung von UVC-Licht kann den notwendigen Einsatz von Antiinfektiva reduzieren und ermöglicht, im Gegensatz zu Impfungen oder Antibiotika, eine Verminderung der Stallluft-Belastung durch multiresistente Bakterien und Pilze.

Projektkoordinatorin:
Dr. Merve Wollweber
Laser Zentrum Hannover e.V.


Direktsaat im Forst

Die Direktsaat senkt nicht nur die Kosten für die Forstwirte (da sie die Setzlinge nicht transportieren müssen und weniger Arbeitskräfte benötigen), sondern führt auch zu gesünderen und widerstandsfähigeren Bäumen und damit zu einer auch in Zeiten des Klimawandels rentablen Waldwirtschaft. Der Ansatz des Projekts ist, bei der Direktsaat das Produkt „Water Steward“ des beteiligten Startups SilviBio im Zusammenhang mit einer gezielten Bodenvorbereitung zu verwenden. Der Bodenhilfsstoff ist bio-basiert, biologisch abbaubar und mikroplastikfrei. Er absorbiert und speichert Wasser im Boden, ist mit den gängigen forstwirtschaftlichen Geräten und Verfahren kompatibel und verbessert insbesondere den Wasserrückhalt im Boden. Dies verbessert nicht nur die Keimung und das Überleben der Sämlinge sowie die Effizienz der Saatgutnutzung, sondern ermöglicht es den Forstwirten auch, die Pflanzsaison zu verlängern und ein breiteres Spektrum an Standorten auszuwählen. Durch die Kombination dieser beiden Faktoren können die Forstwirte nicht nur ehemals ungeeignete Standorte/Bodentypen wieder aufforsten, sondern auch den Nagetierbefall verringern, indem sie im Frühjahr und Sommer pflanzen, wenn Nagetiere weniger Fraß verrichten.

Projektkoordinator:
Samuel Potthoff
Müller Münchehof GmbH


GROW

Grassland maintenance with Robot Operated laser Weeding

Die Urproduktion im Dauergrünland benötigt eine wirtschaftliche und für den Ökolandbau geeignete Bekämpfungsmethode für Beikräuter, welche die effektive Behandlung von bspw. Jakobskreuzkraut ermöglicht. Das Projekt Grow entwickelt einen autonomen Roboter, der mit kontaktlosen Werkzeugen ausgestattet, die manuelle Arbeit im Grünland reduzieren soll. Ein Laser-Werkzeug soll der Wuchssteuerung oder letalen Schädigung von unerwünschten Pflanzen dienen. Die selektive und präzise Dosierung des Lasers ermöglicht eine Bekämpfung der Ackerbeikräuter ohne ungewollte Auswirkungen auf Flora und Fauna. Der Laser stellt dabei ein verschließfreies und kontaktloses Werkzeug dar. Das Projekt umfasst neben der Entwicklung eines Prototyps auch die Durchführung von Praxisversuchen sowie eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung.

Projektkoordinatorin:
Mandy Patzlaff-Günther
Laser Zentrum Hannover e.V.


Opt4Forst

Optimierung des Kulturerfolgs forstlicher Pflanzungen mit pilzlichen Symbionten

Der Kulturerfolg forstlicher Pflanzungen ist prinzipiell das Spiegelbild der Umsetzung guter fachlicher Praxis im jeweiligen Forstbetrieb. Aktuell führen Engpässe auf allen diesbezüglich relevanten Ebenen (Material, Kapazität, Qualität, Qualifikation) zu gravierenden Mängeln mit wirtschaftlichen und ökosystemaren Folgeschäden. Im Projekt OPT4FORST werden drei Faktoren für eine Optimierung der forstlichen Pflanzung vernetzt: Wurzelschutz, Nährstoffabsicherung und mikrobielle Biostimulation. Die wichtigste Symbiose-Organismen für Nutzpflanzen, Mykorrhizapilze, sind für den Einsatz in der Landwirtschaft bereits verfügbar; dort werden aufgrund der angebauten Pflanzenarten Arbuskuläre Mykorrhizapilzarten (AMF) verwendet. In der Forstwirtschaft müssen im Gegensatz zur Landwirtschaft zusätzlich Ektomykorrhizapilzarten (ECM) verwendet werden. Das Projekt entwickelt eine Methode zur Skalierung der Produktion dieser Pilzarten in Festbett- oder Flüssigbioreaktoren und erprobt ihre Anwendung in der Praxis. Insbesondere bei Neu-Pflanzungen im Forst verspricht die kontrollierte Inokulation mit ECM-Pilzen Vorteile in Bezug auf Anwuchserfolg, Resilienz und Leistung der Setzlinge.

Projektkoordinatorin:
Dr. Carolin Schneider
Institut für Pflanzenkultur GmbH & Co. KG


Phagentherapie

Anwendung von Bakteriophagen in der Therapie von Staphylococcus aureus Mastitiden

Euterentzündungen beim Milchrind gehören zu den wirtschaftlich bedeutendsten Erkrankungen und Abgangsursachen in modernen Milchviehbetrieben. Die Therapie erfordert folglich auch die häufigste Anwendung von Antibiotika in der Milcherzeugung. Dabei spielt Staphylococcus (S.) aureus als häufig vorkommender Erreger subklinischer und klinischer Mastitiden eine besondere Rolle. Er bereitet in Milchviehbetrieben häufig dadurch Probleme, dass die Behandlung mit antibiotischen Substanzen aufgrund der besonderen Eigenschaften des Erregers häufiger misslingt als zum Erfolg führt. Der Lösungsansatz des geplanten Projektes ist es, eine spezifische Phagenmischung auf ihre Wirksamkeit bei der Behandlung von durch S. aureus hervorgerufenen (subklinischen) Mastitiden unter Praxisbedingungen auf landwirtschaftlichen Milchviehbetrieben zu untersuchen. Das Projekt trägt somit dazu bei, den Antibiotikaeinsatz in Milchviehbetrieben zu minimieren. Bakteriophagen sind die natürlichen Gegenspieler der Bakterien und kommen in der Natur in hoher Zahl überall dort vor, wo auch Bakterien anzutreffen sind. Die innovative Therapieform soll zu einer deutlichen Verminderung des Antibiotikaeinsatzes beitragen. Zudem steht eine Verbesserung der Tiergesundheit und des Tierwohls durch die beabsichtigte Verbesserung der Heilungsraten im Fokus. Der Arbeitsaufwand in den Betrieben soll durch effektivere Behandlungsformen ebenfalls gesenkt werden.

Projektkoordinatoren:
Prof. Dr. Volker Krömker und Dr. Stefanie Leimbach
Hochschule Hannover


Photoplasma

Kombination photonisch induzierter Verfahren mit plasmabasierten Technologien zur nachhaltigen Inaktivierung von Mikroorganismen auf Schüttgütern in der Agrarwirtschaft für die industrielle Anwendung

Hersteller und Lieferanten von Kräutern, Tees und Gewürzen auf natürlicher Basis kämpfen vielfach mit Kontaminationen durch Kleinst- oder Mikroorganismen, wie Pilze, Bakterien oder Milben. Der Lösungsansatz des Projekts ist die Kombination photonischer Verfahren (z.B. UV-Quellen) mit plasmabasierten Technologien (Atmosphärendruck-Plasmen und plasmaaktivierte Fluide), um effektiv und nachhaltig Mikroorganismen zu inaktivieren und eine Verminderung von Vorratsschädlingen wie Milben und Insekten auf Naturrohstoffen zu erreichen. Ziel ist es, basierend auf den genannten Verfahren und Technologien, ein Gesamtsystem zu entwickeln, welches landwirtschaftliche Schüttgüter ohne den Einsatz chemischer Verfahren für die weitere Verwendung aufbereiten, ihre Haltbarkeit erhöhen und ihren unbedenklichen Verzehr ermöglichen soll.

Projektkoordinator:
Prof. Dr. Stephan Wieneke
Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK)




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